Das Wort zum Wochenende

Thorsten Schmieder

Vergissmeinnicht und Veilchen

Der Sommer neigt sich dem Ende entgegen und der Herbst klopft bereits an die Tür. In der anstehenden Jahreszeit verändert sich das Wetter spürbar, Bäume entziehen ihren Blättern die Nährstoffe und verschließen die Blattstiele. Damit wird die Wasserversorgung abgeschnitten und die Blätter werden bunt, welk und fallen schließlich ab. Bei Blumen sind ähnliche Vorgänge zu beobachten.

„Herbstwetter“ wird auch bei den Wohlfahrtsverbänden und bei Trägern der sozial-pflegerischen Arbeit erwartet. Vor rund drei Wochen tagte die Bundesregierung in Merseburg. Der Bundesfinanzminister kündigte an, dass sich die Koalition in der laufenden Legislaturperiode keine großen sozialen Aufgaben mehr vornehmen werde. Für den Bundeshaushalt 2024 sind sogar massive Kürzungen vorgesehen. Unter anderem sollen Beschäftigungsprogramme für Arbeitssuchende zurückgefahren werden. An der noch nicht einmal eingeführten Kindergrundsicherung wird schon jetzt der Rotstift angesetzt. Rund 30% soll bei den Diensten der Migrationsberatung eingespart werden und auch bei den Freiwilligendiensten (beispielsweise das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) oder der Bundesfreiwilligendienst (BFD)) wird das Budget bis zu einem Viertel der zur Verfügung stehenden Mittel gestrichen.

Hierbei handelt es sich um einen bunten Blumenstrauß mit Angeboten, die den Menschen verlässliche Perspektiven aufzeigen und unglaublich wichtig für unsere Gesellschaft sind. Ein Blumenstrauß, der aktuell geradezu gestutzt und dem das Wasser entzogen wird, bevor er verwelkt und Blätter verliert.

Um nur ein Thema hervorzuheben: Knapp 20.000 junge Menschen in Baden-Württemberg wären im Bereich der Freiwilligendienste von den Sparmaßnahmen betroffen. Hierbei wird die Förderung der sozialen und persönlichen Entwicklung der jungen Menschen eingeschränkt. Gerade auch im Hinblick auf den Personalmangel im Gesundheits- und Sozialwesen werden weitere Wege in die Tätigkeitsfelder reduziert. Die Konsequenzen können seitenweise fortgesetzt werden.

Anstatt Kürzungen vorzunehmen, sollte der Ausbau der Leistungen priorisiert werden. Wir brauchen Impulse, Ressourcen und die Aufmerksamkeit der Gesellschaft und der Politik, um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes sicherzustellen. Die Sparmaßnahmen sind zu kurzsichtig und bei einem zu groben Schnitt bedeutet das ein jahrelanger Wiederaufbau.

Obwohl der Frühling in weiter Ferne ist, sollte der bunte Blumenstrauß mit Vergissmeinnicht und Veilchen bestückt werden. Vergissmeinnicht für die Menschen, die unmittelbar von den Konsequenzen der Kürzungen betroffen sind und Veilchen, die im christlichen Sinne mit Hoffnung assoziiert werden. Mit der Hoffnung, dass die Vorhaben der Bundesregierung nicht so umgesetzt werden, wie sie geplant sind.

Das Wort zum Wochenende schreibt Thorsten Schmieder, Geschäftsführender Vorstand des Caritasverbandes Baden-Baden e.V. (Foto: Andreas Stephany)