„Einsparungen von finanziellen Mitteln für Soziales“

Bild der Geschäftsführer der Liga Baden-Baden

Stellungnahme der Liga der freien Wohlfahrtspflege zum Thema „Einsparungen von finanziellen Mitteln für Soziales“ an Herrn Oberbürgermeister Dietmar Späth und an die Fraktionen des Baden-Badener Gemeinderats

Mit der zweiten Stellungnahme reagiert die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Baden auf die Pläne der Stadt Baden-Baden, den Finanzrahmen im sozialen Bereich stark zu kürzen.

Die Arbeit der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Baden spielt eine bedeutende Rolle für viele Menschen in Baden-Baden. Ob Beratungsangebote für Menschen mit sozial schwierigen Lebensumständen und akuten Notsituationen, konkrete Hilfe für Menschen mit psychischer Erkrankung, Angebote für ältere Menschen und gegen Altersarmut, ob Anlaufstellen für Wohnungslose, Alleinerziehende, Familien mit Kindern oder Geringverdiener, Angebote der Kinder- und Jugendhilfe, um junge Menschen zu fördern und zu unterstützen und vieles mehr – die Arbeit der freien Wohlfahrtspflege wirkt sich direkt auf die einzelnen Menschen, deren Familien, aber auch auf die Gesellschaft Baden-Badens als Ganzes aus.

Die Stadt Baden-Baden bildet die politische Zentrale und die Verwaltung für den Stadtkreis. Zugleich trägt die Stadt Baden-Baden soziale Verantwortung für ihre Bürgerinnen und Bürger und damit für das Gemeinwohl. Einsparungen im sozialen Bereichvergrößern die Armut in unserer Stadt, die jetzt schon bei 13,9% liegt.

Wir fordern:

Soziale Angebote für die Menschen dieser Stadt weiter unterstützen

Die soziale Infrastruktur soll ein menschenwürdiges und fürsorgliches Leben für alle Bürgerinnen und Bürger im Stadtkreis Baden-Baden gewährleisten. Der für den Tourismus eingesetzte Slogan „The good-good life in Baden-Baden“ muss mindestens auch für die grundlegenden sozialen Belange der Bürgerinnen und Bürger gelten. Die Soziale Arbeit der freien Wohlfahrtspflege ist enorm wichtig, um sozial benachteiligten Menschen Anlaufstellen zu geben und Unterstützungsangebote zu bieten. Die Investitionen der Stadt Baden-Baden in soziale Gerechtigkeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt sind effizient und wirkungsvoll. Die finanzielle Unterstützung und teils komplette Absicherung der Angebote der freien Wohlfahrtspflege durch die Stadt Baden-Baden sind grundlegend, um die notwendigen Strukturen und Prozesse zu erhalten. Die Arbeit der freien Wohlfahrtspflege muss von der Stadt Baden-Baden weiter uneingeschränkt unterstützt werden. Es darf keine Kürzungen geben

Bedarfe von sozial schwachen Menschen beachten

Mit Blick auf die nötigen finanziellen Einsparungen im Haushalt der Stadt Baden-Baden ist sehr darauf zu achten, dass die Bedarfe von sozial benachteiligten Menschen, die keine starke politische Lobby haben, in die Entscheidungen einfließen. Denn soziale Einschnitte können weitreichende Folgen haben. Die freie Wohlfahrtspflege und ihre Soziale Arbeit besitzen sowohl eine auf den einzelnen Menschen bezogene als auch eine gesellschaftliche Ebene. Es gehört zu unserer Aufgabe auf Missstände und gesellschaftliche Probleme aufmerksam zu machen. Wir übernehmen deshalb das sozialpolitische Mandat unserer Klientinnen und Klienten. Als Sozialstaat stand Deutschland immer für soziale Sicherheit und Gerechtigkeit. Seit vielen Jahren gilt jedoch: Großes Vermögen bedeutet auch immer große politische Macht. Wer viel Geld hat, kann eine Gesellschaft nach seinem Willen gestalten. Interessen von Menschen mit wenig Vermögen kommen deshalb in der politischen Landschaft nicht vor. Dies gilt auch auf kommunaler Ebene. Bei den Schwächsten in unserer Gesellschaft zu kürzen, kann aus diesem Grund nicht kommentarlos von uns hingenommen werden. Die subjektiven Rechte der Bürgerinnen und Bürger auf Sozialleistungen dürfen im Rahmen der Steuerung nicht angetastet werden.

Drohende langfristige Mehrkosten durch kurzfristige Einsparungen berücksichtigen

Die Entscheidungen sollten nicht nur kurzfristige Einsparungen im Blick haben, sondern langfristige finanzielle Belastungen mitberücksichtigen, die aus solchen kurzfristigen Einsparungen resultieren können. Der soziale Bereich verursacht Kosten. Das ist nicht abzustreiten. Die Sicherungssysteme der freien Wohlfahrtspflege im Bereich der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben sind jedoch wichtige Instrumente, um frühzeitig Menschen bei Ihren sozialen Problemen zu unterstützen. Prävention und rechtzeitige Unterstützung sind deshalb ein wichtiger Faktor, um hohe Folgekosten zu vermeiden. Die Liga der freien Wohlfahrtspflege geht davon aus, dass die Kosten in Zukunft weiter steigen, falls sich soziale Situationen verschärfen. Ein Beispiel: Die Fälle von Kindern, die auffällig werden, nehmen in der Gesellschaft zu. Bis hin zu Kindern, die man als so genannte „Systemsprenger bzw. Systemherausforderer“ tituliert, die im normalen Kindergarten oder vielen Regelangeboten der ambulanten, teil- und vollstationären Jugendhilfe nicht mehr betreut werden können. Es muss auch zukünftig passgenaue Hilfen für diese jungen Menschen geben, da die Regelangebote damit überfordert sind und der Kinderschutz sicherzustellen ist.

Problemlagen nicht erst wahrnehmen, wenn sie weiter (im Stadtbild) sichtbar werden

Vielen Bürgerinnen und Bürgern ist nicht bewusst, welch umfangreiche soziale Daseinsfürsorge von den Wohlfahrtsverbänden geleistet wird. Wohnungslosigkeit, Prostitution, problematische Jugendliche, psychisch kranke Menschen, (Alters-) Armut, Verwahrlosung, Kinderschutz, Einsamkeit, Schulden, u.a. – die Probleme vieler Menschen sind oft nicht sichtbar. Durch drohende Einsparungen werden sie vermehrt sichtbar werden. Müssten beispielsweise Angebote für Wohnungslose oder Jugendtreffs gestrichen werden, würden sich Treffs von Wohnungslosen und Jugendlichen wieder (zurück) verlagern. Beliebt sind hier besonders das Zentrum der Bäderstadt und andere öffentliche Plätze, wie wir bereits aus der Vergangenheit und den vielen Diskussionen darüber wissen. Vielleicht würden mehr Jugendliche „randalieren“ bzw. das Stadtbild stören. Wäre das gewollt? Werden Angebote für Menschen mit psychischer Erkrankung gekürzt, wo sollen sie in Zukunft noch Hilfe und Beratung finden, da auch Therapieplätze kaum oder nur sehr schwer und mit langer Wartezeit zu finden sind? Würde es vielleicht vermehrt – aus der Hilflosigkeit und Überforderung heraus – zu Eskalationen kommen?

Stilles Leid der Menschen vermeiden

Gleichsam findet viel Leid im Verborgenen statt: Folgen von Armut sowie psychisches Leid. Verzweiflung, Scham und Ängste zeigen sich zuhause bei den Menschen, weil die Menschen künftig – falls Angebote gekürzt oder gestrichen werden – noch weniger wissen, wohin sie sich wenden sollen. Viele Menschen, die hart und lange Jahre gearbeitet haben, sich um die Familie und Kinder gekümmert haben, erhalten im Alter trotzdem nur eine geringe Rente. Familien mit Kindern und besonders Alleinerziehende sind verstärkt von Armut bedroht und werden bei der Kindererziehung/-betreuung alleine gelassen. Auf der anderen Seite vermehren viele Wohlhabende und Reiche in unserer Gesellschaft weiter ihr Vermögen, ohne wirklich für die Gesellschaft etwas zu leisten. Abhängig Erwerbstätige hingegen leisten viel für die Gesellschaft, erhalten vom Kuchen aber nicht viel. Es profitieren nur wenige vom Postulat „der Wirtschaft muss es gut gehen“. Das führt langfristig dazu, dass immer mehr Menschen in soziale Problemlagen und strukturelle Benachteiligungen abrutschen. Viele sind auf Unterstützung angewiesen. Menschen mit Depressionen und Angststörungen, die ihren seelischen Beeinträchtigungen ausgeliefert sind, brauchen Unterstützung, um einen Weg aus der gefühlten Ausweglosigkeit aufgezeigt zu bekommen. Wir sollten diesen Menschen nicht den Eindruck vermitteln, allein gelassen zu werden, sondern müssen ihnen auch weiterhin fachliche Hilfsangebote bieten.

Politische Konsequenzen betrachten

Wir befürchten eine Zunahme von sozialen und politischen Spannungen. Durch Einsparungen in der Arbeit der Wohlfahrtsverbände könnte die wichtige präventive Arbeit für unser Klientel wegfallen. Diese hätten künftig keine fachlich versierten Anlaufstellen mehr, fühlen sie sich in der Gesellschaft nicht mehr gut aufgehoben und perspektivlos – ohne Zugehörigkeitsgefühl. Fehlende frühzeitige Beratung, zu spät eingeleitete oder „verschleppte“ Maßnahmen werden die Folgekosten langfristig auf jeden Fall erhöhen. Dies könnte von manchen Parteien und negativen Strömungen ausgenutzt werden. Zudem möchten wir vermeiden, dass die Gesellschaft immer mehr auseinanderdriftet. Soziale Angebote erscheinen dabei als grundlegender Kitt, der für den nötigen Zusammenhalt sorgt. 

Die Kosten nicht auf die freie Wohlfahrtspflege abwälzen – was auch nicht leistbar ist

Die freie Wohlfahrtspflege, die gemeinnützig arbeitet, hat schon viele Investitionen in Baden-Baden getätigt und bietet viele Angebote. Ein Beispiel ist die jahrelange Subventionierung der Kitas sowie Investitionen in Betreutes Wohnen durch die Arbeiterwohlfahrt. Caritas und Diakonie investieren jährlich weit mehr als eine Million Euro aus Kirchensteuermitteln in das Gemeinwesen Baden-Badens. Hinzu kommen zweckgebundene Spenden aller Träger, um Projekte anzustoßen und zu refinanzieren, für die sonst die Mittel nicht ausreichen. Zudem sind u.a. die allgemeine Sozialberatung des Caritasverbandes und die Schuldner- und Insolvenzberatung des Diakonischen Werkes ausschließlich durch Eigenmittel finanziert. Im vergangenen Jahr konnte die Schuldnerberatung 250 Haushalten durch ihre Begleitung aus der Schuldenfalle helfen. Ein Beispiel: Pflegebedürftige können einen Entlastungsbetrag erhalten, um Hilfen zu bezahlen. Aber viele sparen sich den Betrag an, um ihren Alltag zu bewältigen. Würden für diese Menschen die Kosten steigen, hätten sie keinen Puffer für Haushalt oder Lebenshaltungskosten mehr. Sie könnten noch weiter in die (Alters-) Armut geraten. Ein weiterer Punkt sind mögliche Stellenstreichungen, sollte es z.B. im ambulanten Bereich Kürzungen geben, drohen dort in Folge der Wegfall von Stellen. Die freie Wohlfahrtspflege und die Sozialwirtschaft ist ein erheblicher Teil der Wirtschaft und leistet enorm viel zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Einsparungen und Kürzungen haben die Folge, dass Stellenkürzungen und Wegfall die Folge sind. Sozialwirtschaft kostet nicht nur Geld, sondern führt über seine Mitarbeitenden mit Sozialabgaben und Lohnsteuer Geld zurück in das System.

Gespräche zwischen den Gemeinderäten und dem Oberbürgermeister mit den Vertretern der Wohlfahrtsverbände

Es muss uns als Wohlfahrtsverbänden gelingen, gemeinsam mit der Verwaltung für die Menschen da zu sein und deren Belange im Blick zu halten, auch hinsichtlich des Gemeinwohls. Die Belange der Menschen in Baden-Baden liegen uns sehr am Herzen. Aus diesem Grund möchten wir, über die Arbeit in den Gremien hinaus, gern ins Gespräch kommen und fordern Herrn Oberbürgermeister Späth und die Fraktionen freundlich, aber bestimmt dazu auf, sich mit uns zusammen an einen Tisch zu setzen, bevor finale Entscheidungen getroffen werden.

Schlussfolgerung

Soziale Daseinsvorsorge ist ein wichtiger Grundpfeiler unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens und versucht die Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft zu gewährleisten. In Krisenzeiten die Investitionen in den sozialen Bereichen und die Daseinsvorsorge zu reduzieren wäre ein verheerendes Zeichen für unsere Demokratie. Die sozialen Angebote in Baden-Baden sind unverzichtbar zur Unterstützung hilfebedürftiger, sozial benachteiligter Bürgerinnen und Bürger sowie für den sozialen Zusammenhalt und letztlich für das Allgemeinwohl. Die freie Wohlfahrtspflege leistet hierbei einen essenziellen Beitrag. Die Notwendigkeit der Angebote bleibt bestehen, bei Lichte betrachte wären darüber hinaus weitere notwendig. Wir bitten daher mit fachlichem Nachdruck, die Finanzierung der bisherigen Angebote beizubehalten.

Wir freuen uns darauf, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen.

Mit freundlichen Grüßen

AWO Baden-Baden – Eva Pfistner (Geschäftsführerin und Vorsitzende der Liga Baden-Baden) – e.pfistner@awo-baden-baden.de

Caritasverband Baden-Baden e.V. – Thorsten Schmieder (Geschäftsführender Vorstand) – schmieder@caritas-baden-baden.de

Diakonisches Werk Baden-Baden / Rastatt – Sven Reutner (Geschäftsführer) – sven.reutner@diakonie.ekiba.de

DRK Kreisverband Baden-Baden e.V. – Sascha Eigner (Geschäftsführer) – s.eigner@drk-baden-baden.de

Sozialdienst katholischer Frauen Baden-Baden e.V. – Angelika Eschbach (Geschäftsführerin) – a.eschbach@skf-baden-baden.de